Der Tellerrand der Realität 
Teil 4

Einsatzbereiche von XR erkennen

Im vergangenen Beitrag unserer Blogserie „Der Tellerrand der Realität“ gingen wir genauer auf die Gestaltung des gesamten Erlebnisses einer XR-Anwendung ein. Dabei spielten das On-Boarding, das Storytelling und ergonomische Aspekte eine wesentliche Rolle. In diesem Teil unserer Blogserie tauchen wir in praktische Erfahrungen von XR-Technologien in der Industrie ein.

Einsatzbereiche von XR erkennen

Der Einsatzbereich von XR im Industriebereich ist bereits breit gefächert. Die Realität wird durch digitale Elemente angereichert und Benutzer bekommen durch Virtuelles, Hör- oder Fühlbares zusätzliche Informationen und werden in ihrem Arbeitsprozess bestmöglich unterstützt. Um XR optimal einsetzen zu können, ist es wichtig zu wissen mit welchen Sinnen gearbeitet wird und was beim jeweiligen Kunden sinnvoll ist. Die Anforderungen müssen klar definiert und die Use Cases herausgearbeitet werden. Informationen werden genau dorthin gebracht, wo sie von Nutzen sind. XR muss gezielt eingesetzt und Reizüberflutungen verhindert werden.

„Eine perfekte Vermischung der Realitäten wäre, wenn man an einer realen Maschine eine reale Schraube öffnet und dann ein virtuelles Teil hineinsetzt. Servicetechniker könnten vor Ort sein, ohne jemals dagewesen zu sein. Durch die vielen Einsatzmöglichkeiten stellt sich die Frage, ob unsere Realität in naher Zukunft eine Mixed Reality sein wird?!“

Ulf Oberbichler, Geschäftsführer, Alphagate

Schulungen

Eine der vielen Möglichkeiten ist der Einsatz für Schulungen. Das kann an einer bereits vorhandenen Maschine erfolgen oder auch schon bevor eine Maschine geliefert wurde. Ein Formatwechsel kann mit virtuellen Teilen an einer Bestandsmaschine trainiert werden. Benutzer, welche neu sind oder sich noch nicht sicher an einer Maschine fühlen, können durch den Einsatz von XR optimal unterstützt und geleitet werden. Mit der Anwendung werden sie durch die einzelnen Schritte des Arbeitsprozesses begleitet, bis sie die Maschine kennen. Gerade zu Zeiten von Covid hat der Einsatz von XR einen großen Vorteil. Wenn Schichtmitarbeiter oder sogar eine ganze Schicht wegen Krankheit ausfällt, können andere Bediener einspringen, auch wenn sie die Maschine nicht oder nicht gut genug kennen.

„Anfangs ist der Einsatz von XR-Anwendungen ein gewisser Spaß, jedoch ist das nicht das Ausschlaggebende. Irgendwann wird es Routine und die Effizienz steht im Vordergrund. XR wird definitiv die Zukunft sein. Es ist am Kommen und wird immer präsenter. Es wird Bediener unterstützen, aber nicht ersetzen!“

Klaus Feurstein, Softwareentwickler, Alphagate

Bediener müssen keine Zettel, Stifte und Kameras zu Dokumentationszwecken mit sich führen. Es wird automatisch protokolliert wo der Benutzer war, was er angeschaut hat und was das Ergebnis davon ist. Fotos und Checklisten werden automatisch abgelegt. Somit bleibt mehr Zeit für andere Arbeiten. Es kann einfach nachvollzogen werden, wie eine Charge produziert wurde. Versierte Benutzer benötigen eine weniger detaillierte MR-Anwendung und können statt der Datenbrille ein Tablet für die Abarbeitung von Checklisten verwenden. Benutzer und Servicemitarbeiter werden durch die Verortung von Alarmen direkt an die Fehlerquelle geführt und können diese dann Schritt für Schritt beheben.

Remote Support

Durch den Einsatz einer Datenbrille kann hands-free gearbeitet werden und der Remote Support weiß genau was die Benutzer sehen. Dadurch kann er Objekte markieren und so aus der Ferne unterstützend zur Seite stehen. Wenn wir einen Schritt weiter gehen, macht es das Eye-Tracking für den Support noch einfacher. Er sieht genau, ob der Bediener das richtige Objekt anschaut und kann es gegebenenfalls korrigieren.

Wartung der XR Applikation

Eine XR-Anwendung ist nicht wartungsintensiver als gewöhnliche Visualisierungen. Sie wird einmal eingestellt und kann dann direkt verwendet werden. Beim Erstellen eines Rezepts werden für die Verortung zusätzliche Raumkoordinaten hinzugefügt und alles weitere läuft dann generisch. Für gewisse Tätigkeiten gibt es Standardobjekte, welche einmalig implementiert werden. In einem Rezept wird die Tätigkeit (monieren, demontieren, Fotos machen usw.), Ort und Zusatzinformationen (Bilder, Videos, PDFs, Anweisungen) hinterlegt und es kann geladen werden.

„Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass man durch den Einsatz der neuen Technologie, schon sehr schnell einen positiven Effekt hat – also ein quick win.“

Johan Spets, Business Development, Alphagate

Mehrwert mit XR?!

Ist es nur eine schöne Spielerei und weil die Technik vorhanden ist, wird sie auch eingesetzt oder wird es auch tatsächlich genutzt? Beim Einsatz einer neuen Technologie muss natürlich immer berücksichtigt werden, dass es einen positiven Effekt auf die Motivation der Mitarbeiter hat. Sie müssen motiviert werden und das Gefühl haben, dass das Unternehmen sich bemüht und etwas für sie macht. Der Einsatz von XR sollte für die Benutzer einen Mehrwert haben. Die Datenbrille ist gleichzeitig eine Schutzbrille und es werden noch zusätzliche Informationen angezeigt und Arbeitsprozesse somit unterstützt. Das hätte einen Anreiz für Benutzer und eine steigende Akzeptanz.

“Es muss ein Gesamterlebnis sein. Momentan ist es für Benutzer noch artfremd mit etwas nicht Erfassbarem zu interagieren. Die Akzeptanz der Bediener muss da sein, genauso wie ein Mehrwert.“

Jürgen Mohr, Leitung Innovation & Produktmanagement, Alphagate

Es benötigt immer eine gesunde Balance zwischen der Realität und der Extended Reality. Benutzer dürfen nicht mit Informationen überfordert werden, sondern sollen den Überblick behalten und in ihren Arbeitsprozessen optimal unterstützt werden. Der Einsatz von XR in der Industrie muss genau durchdacht werden, denn sonst bleibt es eine nette Spielerei auf der Messe.

Artikel verfasst von
Katrin Greber  UX/UI Design
6. September 2021